Page 16 - Taxikurier Juni 2021
P. 16
RECHTSPRECHUNG
entschieden. Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Im die Lieferschwierigkeiten auf die beauftragte Werkstatt be-
Juni 2018 kam es an einer Kreuzung in einer Stadt in Nordrhein- schränkt sein könnte.
Westfalen wegen eines Rotlichtverstoßes zwischen zwei Fahr-
zeugen zu einer Kollision. Das Fahrzeug der Unfallgeschädigten Das Oberlandesgericht sah die Klägerin zudem als nicht verpflich-
musste in der Folgezeit wegen der Unfallschäden repariert wer- tet an, die Beklagte über die Reparaturverzögerung zu unterrich-
den. Wegen Schwierigkeiten bei der Lieferung des neuen Airbag- ten. Denn zum einen habe die Beklagte zuvor die Regulierung
Moduls für die Beifahrerseite verzögerte sich die Reparatur er- des Unfallschadens abgelehnt. Zum anderen sei nicht ersichtlich,
heblich. Es bestand nun zwischen der Unfallgeschädigten und dass eine Information der Beklagten zu einer Reduzierung der
der Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers Streit darüber, Reparaturzeit geführt hätte.
ob auch für die lange Reparaturzeit Nutzungsausfallentschädi-
gung gezahlt werden müsse. Die Unfallgeschädigte erhob Der Klägerin könne aus Sicht des Oberlandesgerichts auch nicht
schließlich Klage. vorgeworfen werden, sich nicht mit einer Teilreparatur ohne das
fehlende Airbag-Modul zufrieden gegeben zu haben. Als techni-
Das Landgericht Düsseldorf wies die Klage ab. Seiner Auffassung sche Laiin habe die Klägerin nicht davon ausgehen müssen, dass
nach habe die Klägerin gegen ihre Pflicht zur Schadensminde- sie im Falle der Beschädigung einer sicherheitsrelevanten Kompo-
rung verstoßen, weil sie für eine zeitnahe Reparatur habe sorgen nente des Fahrzeugs auch auf die Reparatur verzichten kann. Zu-
müssen. Gegen diese Entscheidung richtete sich die Berufung der dem können rechtliche Nachteile im Fall einer Überprüfung des
Klägerin. Das Oberlandesgericht Düsseldorf entschied zu Gunsten Fahrzeugs oder eines weiteren Unfalls, bei dem der Beifahrer ohne
der Klägerin. Es bestehe ein Anspruch auf Nutzungsausfallent- die Schutzwirkung des Airbags zu Schaden kommen kann, beste-
schädigung auch für die Zeit der verzögerten Reparatur wegen hen. Dies habe der Klägerin nicht zugemutet werden können.
der Lieferschwierigkeiten beim Airbag-Modul.
(Oberlandesgericht Düsseldorf,
Urteil vom 09.03.2021 – 1 U 77 ⁄ 20)
Verlassen der Unfallstelle kann zum Verlust
des Kaskoschutzes führen
Verlässt der Fahrer eines an einem Unfall beteiligten Fahrzeugs
den Unfallort, ohne die Polizei und ⁄ oder seine Kaskoversicherung
über den Unfall zu informieren, kann hierdurch die in den Allge-
meinen Bedingungen für die Kfz-Versicherung (AKB) festgelegte
Wartepflicht verletzt werden und dies zur Folge haben, dass die
Kaskoversicherung den Schaden nicht regulieren muss. Hierauf
hat das Oberlandesgericht Koblenz in einem kürzlich veröffent-
lichten Beschluss hingewiesen.
Im konkreten Fall war der Kläger ohne Fremdeinwirkung auf der
Die Lieferschwierigkeiten habe die Klägerin nicht zu vertreten, so Autobahn bei Tempo 100 km ⁄ h mit der Leitplanke kollidiert und
das Oberlandesgericht. Für sie haben zum Zeitpunkt der Beauftra- zunächst bis zu einem Rastplatz weitergefahren. Nachdem er dort
gung der Werkstatt keine Anhaltspunkte bestanden, dass die durch den entstandenen Schaden (Streifspuren über die gesamte linke
sie gewählte Firma nicht in der Lage sein würde, die Reparatur Fahrzeugseite) in Augenschein genommen hatte, hatte er die
zügig durchzuführen. Allein der Umstand, dass sich die Werkstatt Fahrt fortgesetzt. Die Schadensanzeige an seine Kaskoversiche-
auf kostengünstige Reparaturen spezialisiert hat, belegt ein sol- rung stellte er erst vier Tage später fertig. Die Reparatur des
cher Anhaltspunkt nicht. Verzögerungen bei der Durchführung der Fahrzeugs verursachte Kosten in Höhe von 22.217,16 Euro.
Reparatur, die insbesondere auf unvorhersehbare Ersatzteilliefer-
schwierigkeiten beruhen, gehen zu Lasten des Schädigers. Die auf Erstattung dieses Betrages gerichtete Klage gegen seine
Vollkaskoversicherung hat das Landgericht abgewiesen. Die Kas-
Die Klägerin sei nach Ansicht des Oberlandesgerichts nicht ver- koversicherung sei von ihrer Leistung frei geworden, weil der
pflichtet gewesen, selbständig bei anderen Werkstätten oder Kläger vorsätzlich die ihn aus Buchstabe E1.3 Satz 2 AKB treffen-
beim Fahrzeughersteller nach der Verfügbarkeit der Ersatzteile zu de Wartepflicht verletzt und hierdurch dem Versicherer wesentli-
fragen. Für sie habe kein Anlass zur Vermutung bestanden, dass che Feststellungen zum Versicherungsfall unmöglich gemacht
16 ⁄ TAXIKURIER ⁄ JUNI 2021