Page 14 - Taxikurier April 2021
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RECHTSPRECHUNG
➔ URTEILE
„Halten“ eines Mobiltelefons durch Einklemmen des Schnelleres Fahren auf Ausfädelungsstreifen als Verkehr
Geräts zwischen Ohr und Schulter auf durchgehender Fahrbahn begründet Mithaftung des
Verkehrsteilnehmers
Geldbuße wegen unerlaubten Verwendens eines elektroni-
schen Geräts während des Fahrens Verstoß gegen § 7 a Abs. 3 StVO
Eine verbotswidrige Nutzung eines elektronischen Geräts wäh- Fährt ein Verkehrsteilnehmer auf dem Ausfädelungstreifen einer
rend des Autofahrens gemäß § 23 Abs. 1a Nr. 1 StVO liegt auch Autobahn schneller als der Verkehr auf der durchgehenden Fahr-
dann vor, wenn ein Mobiltelefon während des Telefonierens bahn, so verstößt er gegen § 7 a Abs. 3 StVO. Dieser Verkehrs-
zwischen Ohr und Schulter eingeklemmt wird. Darin liegt ein verstoß kann im Fall eines Unfalls eine Mithaftung begründen.
„Halten" im Sinne der Vorschrift. Dies hat das Oberlandesgericht Dies geht aus einer Entscheidung des Landgerichts Saarbrücken
Köln entschieden. hervor.
In dem zugrunde liegenden Fall hatte das Amtsgericht Geilen- In dem zugrunde liegenden Fall kam es im April 2018 auf einer
kirchen eine Autofahrerin wegen verbotswidriger Benutzung Autobahn zwischen einem Lkw und einem Kleinlaster zu einem
eines elektronischen Geräts zu einer Geldbuße von 115 EUR ver- Verkehrsunfall. Der Unfallhergang war im anschließenden Scha-
urteilt. Hintergrund dessen war, dass die Autofahrerin ihr Mobil- densersatzprozess vor dem Amtsgericht St. Wendel zwischen den
telefon während des Telefonierens zwischen Ohr und Schulter Beteiligten streitig. Der Fahrer des Lkw gab an, er sei infolge
eingeklemmt hatte. Das Gericht sah darin ein „Halten“ im Sinne einer Baustelle mit verengter Fahrbahn auf die rechte Fahrspur
von § 23 Abs. 1a Nr. 1 StVO. Die Autofahrerin sah dies anders gefahren, als ihn der Kleinlaster auf dem Ausfädelungsstreifen
und legte Rechtsbeschwerde ein. überholt und gestreift habe. Der Fahrer des Kleinlasters behaup-
tete wiederum, er habe den Ausfädelungsstreifen befahren, um
Das Oberlandesgericht Köln bestätigte die Entscheidung des an der Ausfahrt abzubiegen. Dabei sei der Lkw auf den Ausfäde-
Amtsgerichts. Die Autofahrerin habe das Mobiltelefon gehalten, lungsstreifen gewechselt und gegen sein Fahrzeug gestoßen.
indem sie dieses zwischen Ohr und Schulter eingeklemmt hat. Ein gerichtlich bestellter Sachverständiger hatte festgestellt,
Ein „Halten" von Gegenständen sei dem Wortsinn nach ohne dass der Kleinlaster im Kollisionszeitpunkt schneller als der Lkw
weiteres auch ohne Benutzung der Hände möglich. So liege ein gefahren sein muss.
„Halten" auch dann vor, wenn ein Gegenstand zwischen Oberarm
und Torso oder zwischen den Oberschenkeln fixiert wird. Das Amtsgericht St. Wendel nahm eine hälftige Haftungsvertei-
lung vor, weil seiner Auffassung nach keiner Partei ein unfall-
Zudem berge nach Auffassung des Oberlandesgerichts die Benut- ursächliches Verschulden nachzuweisen sei. Gegen diese Ent-
zung eines Handys in der hier geschehenen Weise ein nicht uner- scheidung richtete sich die Berufung des klägerischen Halters
hebliches Gefährdungspotential. So werden mit der veränderten des Lkw.
Körperhaltung bestimmte Tätigkeiten wie etwa der Schulterblick
oder der Blick in den Spiegel erschwert. Zudem beanspruche das Das Landgericht Saarbrücken hob die Entscheidung des Amts-
höchst unsichere und daher letztlich unverantwortliche Halten gerichts auf. Es sei unzutreffend, dass keiner Partei ein Ver-
des Mobiltelefons zwischen Ohr und Schulter die Aufmerksamkeit kehrsverstoß anzulasten sei. Aus dem Sachverständigengutach-
des Fahrers über Gebühr. Es bestehe das Risiko, dass das Mobil- ten ergebe sich, dass der Fahrers des Kleinlasters auf der
telefon sich aus seiner „Halterung" löst und den Fahrer dann zu Ausfädelungsspur an dem Klägerfahrzeug vorbeigefahren sei
unwillkürlichen Reaktionen verleitet, um etwa zu verhindern, müsse und damit in jedem Fall einen Verkehrsverstoß begangen
dass es im Fußraum des Fahrzeugs unauffindbar wird. habe. Der Kleinlasterfahrer sei entgegen § 7 a Abs. 3 StVO auf
dem Ausfädelungsstreifen schneller als auf dem durchgehenden
(Oberlandesgericht Köln, Fahrstreifen gefahren. Dieser Verkehrsverstoß sei unfallursächlich
Beschluss vom 04.12.2020 – 1 RBs 347 ⁄ 20) gewesen.
Aufgrund des vorliegenden Verkehrsverstoßes haften die Be-
klagten zu 75 % für die Unfallfolgen, so das Landgericht. Die
25-prozentige Mithaftung des Klägers ergebe sich aus der
Betriebsgefahr des Klägerfahrzeugs.
(Landgericht Saarbrücken, Urteil vom 22.01.2021 – 13 S 110 ⁄ 20)
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