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Sichtachsen und Landmarken in München
Wenn wir vom Odeonsplatz kommend auf das Siegestor zufahren, erscheinen weiter nördlich hinter dem Tor am Ende der
Autobahn Nürnberg die Highlight Towers, die sich auf einem Areal genannt Highlight Munich Business Towers befinden und
darüber hinaus mit sogenannten Meeting-Räumen in angeblichen Design Offices aufwarten können, laut Selbstdarstellung:
„Seit ihrer Fertigstellung im Jahr 2004 sind die weithin sichtbaren Türme zu Wahrzeichen des modernen München avanciert.
Der amerikanische Stararchitekt Helmut Jahn entwarf ein Ensemble, das Eleganz, Modernität, Selbstbewusstsein und
Funktionalität vereint: ein Landmark für die Wirtschaftsmetropole, ein Headquarter für Unternehmen mit Perspektive.“
Ins Deutsche übersetzt wären das die Kontroverse Diskussionen gekommen, sich mit Prachtstraßen zu ver-
Glanzlicht-Türme, aber nachdem dies etwas ewigen, nachdem natürlich auch ihnen klar
lächerlich klingen würde, erhielten die Der Sichtachse vom Siegestor hinüber zu war, dass selbst sie nicht unsterblich wa-
beiden Hochhäuser und ihr Drumherum den leicht versetzten Glanzlicht-Türmen ren. Und das mit bleibendem Erfolg, wie
englische Bezeichnungen, und schon klingt sorgten und sorgen immer wieder für kont- wir heute noch sehen. Die Brienner Straße
das Ganze nach Weltstadt, obwohl es im roverse Diskussionen, einmal abgesehen hieß ursprünglich Fürstenweg und seit
Grunde genommen von einem Minderwer- vom umstrittenen Thema, ob es in Mün- 1808 Königstraße, bis sie 1826 ihren heuti-
tigkeitskomplex gegenüber der englisch- chen Hochhäuser höher als die zwei fast gen Namen nach einem Sieg bayerischer
sprachigen Welt zeugt. Aber diese Betrach- 100 Meter hohen Türme der Frauenkirche Truppen 1814 über französische Truppen
tungen nur am Rande. Die Türme mit ihrer geben solle und wenn ja, wie hoch sie sein beim französischen Dorf Brienne-le-Château
Höhe von 126 beziehungsweise 113 Metern sollten. Es geht darum, ob es im Stadtbild erhielt. Sie ist die städtebauliche Achse,
wurden nach Plänen des Architekten Jahn moderne Gebäude geben darf, die histori- die die Maxvorstadt erschließt. Erstmals im
(geboren 1940) errichtet, der aus dem sche Sichtachsen unterbrechen oder überla- Dezember 1812 als solche erwähnt, ist
fränkischen Zirndorf stammt, an der Tech- gern dürfen. Ein aktuelles Beispiel hierfür diese benannt nach dem ersten bayeri-
nischen Universität München studierte und sind die zwei Hochhäuser, die auf dem schen König, Maximilian I. Joseph (1756–
dann 1966 nach Chicago auswanderte. Gelände der Deutschen Post an der Frieden- 1825, König seit 1806, Max-Joseph-Platz
heimer Brücke geplant sind, und welche von 1806, Maximiliansplatz von 1808,
städtebaulichen und optischen Auswirkun- Max-Joseph-Straße von 1859, Max-Joseph-
gen sie auf das nahe Schloss Nymphenburg Brücke von 1879) und ist die erste Vor-
und seinen Schlosspark haben könnten. Stadt außerhalb der alten Stadtbefestigun-
Denn nicht jedes Hochhaus steht so be- gen. Die Brienner Straße selbst weist alle
scheiden da wie das älteste Hochhaus Mün- Merkmale einer typischen Prachtstraße auf.
chens, das städtische Hochhaus an der Blu- Ihre beidseitige Bebauung ist repräsentativ
menstraße 28 von 1929 mit seinen zwölf und sie besitzt in ihrem Verlauf platzartige
Stockwerken und 45 Metern Höhe, das man Erweiterungen. Diese sind der Karolinen-
nicht aus der Ferne sieht, sondern erst, platz, im Jahr 1809 nach der zweiten Frau
wenn man auf der Straße um die Kurve (1776–1841) von Max I. Joseph benannt,
fährt. Dabei darf nicht übersehen werden, sowie der Königsplatz von 1808, der an die
dass die bayerischen Könige sowie die in Erlangung der Königswürde im Jahr 1806
ihren Diensten stehenden Architekten und erinnert. Die Sichtachse der Brienner Stra-
Stadtplaner stets bestrebt waren, ihre ße hat drei Fixpunkte, auf die man sich zu
Prachtstraßen mit markanten, klassizisti- bewegt: Im Osten das Eingangstor zum
schen Gebäuden optisch abzuschließen. Hofgarten sowie in der Mitte auf dem Karo-
Vier Beispiele sollen dies aufzeigen. linenplatz den 29 Meter hohen Obelisken,
der seit 1833 an die 30.000 bayerischen
Gefallenen des Russlandfeld zuges von
Brienner Straße 1812⁄1813 erinnert. Die auffallendste
Landmarke sind die Propyläen, die im Jahr
Nachdem seit 1800 die mittelalterlichen 1862 fertig gestellt wurden und den Kö-
Stadtmauern abgebrochen wurden, konnte nigsplatz im Westen abschließen. Dieses
nicht nur Platz für die wachsende Stadt ge- Gebäude stellt ein symbolisches Stadttor
schaffen werden, sondern die bayerischen dar, durch dessen Mitte der Adel von der
Herrscher sahen auch die Gelegenheit Residenz zum Schloss Nymphenburg ge-
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