Page 25 - Taxikurier Mai 2023
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recht kompakt
VERKEHRSRECHT
SONDERVEREINBARUNGEN –
MÖGLICHKEITEN UND GRENZEN
Sondervereinbarungen sind spezielle Preisfestlegungen nach Beförderungen im Pflichtfahrbereich nur noch von margina-
außerhalb des normalen Tarifgefüges und können zwi- ler Bedeutung ist und deshalb insbesondere die Entgelte nach
schen dem örtlichen Taxigewerbe und Großkunden ab- der Tarifverordnung nicht mehr auskömmlich sind .Der Vertrags-
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geschlossen werden. Sie beziehen sich als Ausnahme- partner des Taxigewerbes andererseits, häufig sind dies Kranken-
regelung auf den Pflichtfahrbereich und sind nur zulässig, kassen, kann aber aus den Tarifregelungen des PBefG kein eige-
wenn nes subjektives Recht herleiten, also bspw. von der Behörde die
Genehmigung der Vereinbarung verlangen. Dementsprechend
1. ein bestimmter Zeitraum, eine Mindestfahrtenzahl fehlt auch die Klagebefugnis gegen einen Bescheid der Genehmi-
oder ein Mindestumsatz im Monat festgelegt wird, gungsbehörde hinsichtlich dieses Rahmenvertrages.
2. die Ordnung des Verkehrsmarktes nicht gestört wird, Auch wenn „nur“ eine Anzeigepflicht in der Taxitarifordnung
vorgesehen ist, entbindet dies die Behörde keineswegs von der
3. die Beförderungsentgelte und -bedingungen schriftlich Rechtmäßigkeitsprüfung. Die Sondervereinbarung wird durch die
vereinbart sind und Anzeige nur vorläufig und unter dem Vorbehalt die Überprüfung
durch die Behörden wirksam. Die Sondervereinbarung, auch
4. in der Rechtsverordnung eine Pflicht wenn sie i.A. zivilrechtlicher Natur sein dürfte, verlangt also zu
zur Genehmigung oder Anzeige vorgesehen ist. ihrer Wirksamkeit auch bei Anzeigevorbehalt die Übereinstim-
mung mit den Zulässigkeitsvoraussetzungen, steht also auch
Die Taxitarifordnung regelt nicht nur, ob eine Pflicht zur Geneh- nach der Anzeige bei der Behörde insoweit weiter unter Recht-
migung oder bloßen Anzeige bei der Behörde besteht, sondern mäßigkeitsvorbehalt .
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auch, ob Sondervereinbarungen für den Pflichtfahrbereich in
diesem Genehmigungsbezirk überhaupt möglich sind. Eine Ver- Wo steht’s im Gesetz?
pflichtung der Behörde, solche Sondervereinbarungen grundsätz- § 51 Abs. 2 PBefG (Zulässigkeitsvoraussetzungen von Sonder-
lich zuzulassen, besteht nämlich nicht. vereinbarungen); § 51 Abs.1 Satz 2 Nummer 6 (Zulässigkeit
von Sondervereinbarungen muss sich aus der Taxitarifordnung
Wichtigste Zulassungshürde ist, dass die Ordnung des Verkehrs- er geben)
marktes nicht gestört wird. Ordnung des Verkehrsmarktes bedeu-
tet in diesem Zusammenhang, dass zu verhindern ist, dass solche Welches Gericht hat so entschieden?
ausnahmsweise zugelassenen Abweichungen vom gesetzlichen 1 BFH, EuGH-Vorlage v. 10.07.2012 – XI R 39 ⁄ 10 –
Normalfall der zwingenden Beachtung der Tarifordnung die Tarif- unter Hinweis auf Fielitz ⁄ Grätz, Personenbeförderungsgesetz,
pflicht aushöhlen. Darum können solche Vereinbarungen nur § 51 Randnummer 10;
dann abgeschlossen werden, wenn auf der Taxiseite die Mehrheit 2 VG Schleswig, Beschl. v. 20.10.2006 – 3 B 120 ⁄ 06 –;
des örtlichen Gewerbes vertreten ist. Dies kann eine Taxizentrale 3 VGH, Baden-Württemberg, Beschl. v. 29.07.2010 –
oder eine Gewerbeorganisation sein, ggf. auch der Mehrwagen- 12 S 2937 ⁄ 08 –
unternehmer, der sämtliche oder eine überwiegende Zahl der
örtlichen Taxis betreibt. Eine Minderheit der Taxiunternehmen
oder gar ein einzelner Unternehmer mit wenigen Fahrzeugen ist Der Autor:
als Vertragspartner einer Sondervereinbarung im Pflichtfahrbe- Rechtsanwalt Thomas Grätz
reich auszuschließen, weil keine Waffengleichheit im Verhältnis ist seit über 30 Jahren mit
zum Großkunden besteht. Letzterer wäre nur aufgrund seiner Personenbeförderungsrecht
Marktstärke in der Lage, für sich eine vom Tarif abweichende, befasst und war Geschäftsführer
günstigere Vereinbarung zu erzielen, der sich die anderen Taxi- vom damaligen Taxi-Bundes-
anbieter in der Folge kaum entziehen können . Damit wäre aber verband BZP. Bekannt ist auch
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der örtliche Verkehrsmarkt erheblich gestört. sein PBefG- Standardwerk
„Fielitz ⁄ Grätz“.
Über den Schutz der Verkehrsanbieter in ihrer Gesamtheit hinaus
kann auch der einzelne Unternehmer aber durchaus die Verlet-
zung eigener Rechte geltend machen. Das kann vorliegen, wenn
es durch die Umsetzung der Sondervereinbarungen zu derartigen
Verwerfungen auf dem Verkehrsmarkt kommt, dass die Nachfrage
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