Page 9 - Taxikurier Februar 2023
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recht kompakt
VERKEHRSRECHT
DIE BEFÖRDERUNGSPFLICHT
KARDINALPFLICHT NUMMER 1 IM TAXIVERKEHR
Taxiverkehr ist öffentlicher Personennahverkehr, was ihn zur Beförderung eines Fahrgastes nicht verpflichtet, der von
entscheidend von den anderen Gelegenheitsverkehrs- ihm verlangt, nach Beendigung der Fahrt längere Zeit auf die
formen, die mit Pkw durchgeführt werden, unterscheidet Herbeischaffung des Fahrpreises zu warten .
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(Mietwagen, gebündelter Bedarfsverkehr). Daraus er-
wachsen Rechte, aber auch Verpflichtungen. Und bei drei Nicht selten ist die Behauptung, dass die Beförderungspflicht
dieser Pflichten kann man mit Fug und Recht von den generell dann nicht besteht, wenn der Fahrgast Tiere mitführt.
Haupt- oder auch Kardinalpflichten sprechen. Dies sind Falsch: Im Grundsatz darf eine Beförderung wegen der Mitnah-
die Betriebspflicht, die Tarifpflicht und die hier näher zu me von Tieren nicht verweigert werden. Richtig ist aber, dass
erläuternde Beförderungspflicht. die Beförderungspflicht ausnahmsweise dann nicht gilt, wenn
der Fahrer bei Mitnahme bestimmter Tiere etwa gesundheits-
Inhaltlich bedeutet die Beförderungspflicht einen Kontrahie- bedingt infolge einer Allergie in seiner Fahrfähigkeiten beein-
rungszwang für den Taxi-Unternehmer oder die Taxiunterneh- trächtigt wäre oder wenn seine Angst vor Hunden ihn in seiner
merin, also die Verpflichtung, das Vertragsangebot des Fahr- Fähigkeit, das Fahrzeug sicher zu führen, beeinträchtigen
gastes anzunehmen. Diese Verpflichtung besteht aber nur kann. Dabei sind die zu stellenden Anforderungen an die Über-
dann, wenn die Beförderung mit den regelmäßig eingesetzten windung seiner Bedenken hinsichtlich der grundsätzlich beste-
Beförderungsmitteln möglich ist und die Beförderung nicht henden Beförderungspflicht umso geringer, je höher der Ge-
durch Umstände verhindert wird, die der Unternehmer weder fährlichkeitsgrad des mitgeführten Tieres einzuschätzen ist .
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abwenden noch denen er abhelfen kann. Beförderungspflicht
und damit auch der Kontrahierungszwang sind auf die bereit- Wo steht’s im Gesetz?
gehaltenen Taxen beschränkt. In dem Moment, in dem der §§ 22, 47 Abs. 4 i.V.m. § 51 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1
Taxiunternehmer sein Fahrzeug nicht mehr zur Beförderung PBefG; die Bußgeldandrohung ergibt sich aus § 61 Abs. 1
bereithält, endet auch die Beförderungspflicht. Diese Pflicht Nummer 3 Buchstabe c PBefG
ist weiterhin auf den Geltungsbereich der festgesetzten Tarife,
also den Pflichtfahrbereich, beschränkt. Innerhalb dieses 1 OLG Düsseldorf, Beschluss vom 24.03.1993, Aktenzeichen 5 Ss (OWi) 9 ⁄ 93
2 OLG Düsseldorf, Beschluss vom 14.06.1996, Aktenzeichen 5 Ss (OWi) 91 ⁄ 96
Pflichtfahrbereiches hat der Taxenunternehmer bzw. dessen 3 OLG Düsseldorf, Beschluss vom 05.05.2003 – IV – 2 b Ss (OWi) 96 ⁄ 03
Fahrer als sein Erfüllungsgehilfe Fahrgäste aufzunehmen und 4 OLG Köln, Beschluss vom 27.08.1968, Aktenzeichen 1 Ws (B) 113 ⁄ 67
mit ihnen Beförderungsverträge abzuschließen ohne Rücksicht 5 Kammergericht, Beschluss vom 16.02.1970, Aktenzeichen Ws (B) 206 ⁄ 69
6 OLG Hamm, Beschluss vom 05.03.1992, Aktenzeichen 3 Ss (OWi) 61 ⁄ 92
darauf, ob es auf einem Taxistand bereitgehalten wird, während 7 OLG Düsseldorf, Beschluss vom 28.01.2004, Aktenzeichen 5 Ss (OWi) ⁄ 03
einer Leerfahrt herangewunken wird, über telefonische Bestel-
lung und über die Vermittlung angefordert wird. Verletzungen
der Beförderungspflicht sind mit Bußgeld zu belegen.
Einige gerichtlich behandelte Beispiele für die Frage, ob Be-
förderungspflicht verletzt ist oder nicht: Eine Beförderungs-
ablehnung wegen zu geringer Entfernung ist nicht erlaubt .
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Die bloße Beweglichkeitseinschränkung des Fahrgastes durch Der Autor:
die Mitnahme eines kleineren Gepäckstückes im Fahrgastraum Rechtsanwalt Thomas Grätz
bedeutet weder eine Gefährdung und jedenfalls dann keine ist seit über 30 Jahren mit
Belästigung, wenn die Einschränkung vom Fahrgast freiwillig Personenbeförderungsrecht
hingenommen wird. Eine Fahrtablehnung unter diesen Voraus- befasst und war Geschäftsführer
setzungen stellt damit einen Verstoß gegen die Beförderungs- vom damaligen Taxi-Bundes-
pflicht dar . Gleiches gilt für die Weigerung eines an hinterer verband BZP. Bekannt ist auch
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Stelle an einem Taxenhalteplatz stehenden Taxifahrers, eine sein PBefG- Standardwerk
angetragene Beförderung auszuführen. Daran ändert auch eine „Fielitz ⁄ Grätz“.
„Übung unter den Taxifahrern“, dass ein Fahrtauftrag nur je-
weils von dem an erster Stelle stehenden Taxifahrer ausgeführt
werden soll, nichts . Bei persönlicher Feindschaft zwischen
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Fahrgast und Taxifahrer kann aber in Extremfällen, also bei
einer tiefsitzenden Aversion, die Beförderungspflicht wegen
Unzumutbarkeit entfallen . Der Taxenunternehmer ist ebenfalls
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