Page 15 - Taxikurier Mai 2023
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te. Seit 1993 ist der unkonventionelle
Pfarrer in St. Maximilian in München tätig.
Wer nun meinen könnte, er hätte seinen
Platz in einer ruhigen Gemeinde gefunden,
der irrt. Seit seiner Studienzeit hat ihn die
Seelsorge für die arbeitenden Menschen
nicht losgelassen. „Warum laufen die Arbei-
ter der katholischen Kirche davon“, war ein
prägendes Thema seiner Laufbahn. Die Idee,
den ausscheidenden Gläubigen hinterherzu-
laufen, war und ist nicht immer gern gese-
hen in der katholischen Kirche. Trotzdem
wurde er meist an Pfarreien eingesetzt, die
nicht so ganz einfach in den Augen der
Obrigkeit waren. Er versucht immer für die
Menschen, nicht nur in seiner Gemeinde,
da zu sein. Dabei geht er auch ungewöhnli-
che Wege. Jeden ersten Julisonntag um
10.30 Uhr wird eine Messe mit den Haustie-
ren der Bürger gefeiert. Dabei steht diese
ungewöhnliche Messe immer unter einem
anderen Motto. So wurden die Stadttauben
oder auch die sogenannten „Laborbeagle“
thematisiert. In diesem Jahr wird die
in der Vorlesung waren die Geschichten von Ende der Beichtende ihm 10 Mark zuschob. Schutzhundestaffel des BRK aus Pfaffen-
Rainer Maria Schießler begehrter als das Das kannte er aus der Stadt nicht, bewies hofen dabei sein, die einen Einsatz in der
Referat des Professors. Von 1981 bis 1986 ihm aber, dass sein Eindruck betreffend sei- Türkei und Syrien absolvierte. Da Pfarrer
fuhr er fast jede Nacht Taxi. Besonders luk- nes Vergleiches Taxi-Beichtstuhl stimmte. Schießler selbst eine französische Bulldogge
rativ war das Taxifahren zwischen Heilig Nach seiner Zeit in Rosenheim bewarb er aus einer slowakischen Qualzucht vor vier
Abend und Neujahr. Diese Nachtschichten sich auf eine Pfarrstelle in Giesing. Der Hin- Jahren befreite, ist ihm diese Messe beson-
sorgten in einem Jahr dafür, dass er sich tergrund war sein Wunsch, dass die „Löwen“ ders wichtig. Nach der Messe gibt es ein
danach ein kleines Auto leisten konnte. wieder aufsteigen sollten, und er der Mei- Mittagessen für Mensch und Tier und das
Seine Studienzeit fand also praktisch im nung war, dass dies durch Gebet und göttli- ganze hat den Charakter einer großen Party.
Taxi statt. Es kam schon vor, dass der Stu- chen Beistand bewerkstelligt werden konn- Ihm ist wichtig, dass jeder, egal ob Kirchen-
dent Schießler die Vorlesung schwänzte,
dann aber im Taxi, Hebräisch, Aramäisch,
Griechisch oder Latein lernte. So war die
Zeit am Standplatz sinnvoll genutzt. Dies
war auch manchmal der Anfang eines inten-
siven Gespräches mit einem Fahrgast, der
die Bücher in der Mittelkonsole sah und
sich für den Mann am Steuer interessierte.
Es kam schon vor, dass der Kunde noch
Fragen hatte, als die Zieladresse bereits
erreicht war. Selbst als er sein Auslands-
semester in Salzburg absolvierte, fuhr er
am Wochenende regelmäßig nach München,
um Taxi zu fahren. Dabei war er auch immer
angehender Pfarrer. So stattete er bei sei-
nem Unternehmer das Büro mit Herrgotts-
winkel und Weihwasserbehälter aus. Er riet
seinem Unternehmer darauf zu achten, dass
jeder Fahrer zu Schichtbeginn sich mit
Weihwasser bekreuzigte, damit die Fahrten
gesegnet seien. Dem Unternehmer war es
recht. Er meinte, dass er sich vielleicht
dann irgendwann die Kaskoversicherung
sparen könne.
Die Ähnlichkeit von Beichte und Taxi wurde
ihm wieder bewusst, als er als Kaplan in
Rosenheim die Beichte abnahm und am
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