Page 9 - Taxikurier April 2023
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recht kompakt

            VERKEHRSRECHT



            DIE TARIFPFLICHT

            KARDINALPFLICHT NUMMER 3 IM TAXIVERKEHR




              Nach dem Blick auf die Beförderungs- und Betriebs-  Taxentarifordnung unwirksam sein. Die bloße allgemeine
              pflicht in den letzten beiden TAXIKURIER-Ausgaben     Behauptung der Behörde, eine Gewinnspanne berücksichtigt
                wollen wir uns nun der Tarifpflicht  zuwenden: Tarif-  zu haben, ohne dies im Ansatz zu substantiieren bzw. durch
              pflicht im Taxenverkehr bedeutet die Pflicht, die in    schriftliche Dokumentation der Erwägungen nachvollziehbar
              der Taxitarifverordnung festgesetzten Beför derungs-  offenzulegen, erschüttert dieses Ergebnis nicht .
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              entgelte im Pflichtfahrbereich anzuwenden. Die
              Beförderungsent gelte dürfen dort, also im Pflicht-           Der Verstoß gegen die Tarifpflicht hat Nichtigkeit der zugrunde
              fahr bereich, weder unter- noch überschritten werden    liegenden Abrede zur Folge, i. Ü. ist dies für den Fahrer eine
              und sie sind gleichmäßig anzuwenden.            Ordnungswidrigkeit, die mit einer Geldbuße bis zu 10.000 Euro
                                                              geahndet werden kann. Ist der Unternehmer selbst der Fahr-
            Versinnbildlicht wird die Tarifpflicht durch die Verpflichtung,   zeugführer, so kann sich schon aus einem erstmaligen Verstoß
            Taxen mit einem beleuchtbaren Fahrpreisanzeiger auszurüsten,   gegen die Tarifpflicht ein Widerrufsgrund ergeben. Soweit der
            an dem ständig der Fahrpreis leicht ablesbar sein muss. Die   Unternehmer nicht ausreichend dafür Sorge trägt, dass Tarif-
              Beförderungsentgelte und die Beförderungsbedingungen im   pflichtverstöße seiner Fahrer für die Zukunft ausgeschlossen
              Taxiverkehr sind in den Taxitarifordnungen zu regeln. Grund-  sind, was bei mehrmaligen Verstößen seiner Fahrer innerhalb
            preis, Kilometerpreis und Zeitpreis sind dabei die unverzicht-  eines überschaubaren Zeitraumes vermutet werden kann, ist
            baren Bestandteile eines Taxitarifes. Durch die Novelle des   seine unternehmerische Zuverlässigkeit nicht mehr gegeben.
            PBefG 2021 ist zwar neu, dass auch Festpreise für bestimmte   Das führt zum Widerruf der Genehmigung.
            Wegstrecken in der Taxentarifordnung vorgesehen werden
              können. Faktisch gab es diese Möglichkeit aber schon vorher.   Wo steht’s im Gesetz?
              Wirklich neu ist, dass der Tarif auch allgemein Festpreise bei   § 51 Abs. 1 I.V.m. § 39 Abs. 3 Satz 1 PBefG (Tarifpflicht);
            Vorbestellfahrten oder einen Tarifkorridor – auch hier nur    § 37 BOKraft (Fahrpreisanzeiger); § 61 Abs. 1 Nummer 3 lit. c
            bei vorbestellten Fahrten – anordnen kann.        (Bußgeldfolge bei Verletzung der Tarifpflicht)

            Bei Fahrten nach außerhalb des Pflichtfahrbereich gilt für die   Welches Gericht hat so entschieden?
            gesamte Fahrtstrecke grundsätzlich freie Preisvereinbarung.   1   BVerfG, Urt. v. 08.06.1960 – 1 BvL 53 ⁄ 55 –
            Darauf hat der Fahrzeugführer den Fahrgast vor Fahrtbeginn   2  OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 16.06.2022 – 3 K 196 ⁄ 19 –
            hinzuweisen (§ 37 Abs. 3 Satz 1 BOKraft). Kommt keine Verein-
            barung zustande, gelten nach § 37 Abs. 3 Satz 2 BOKraft die
            für den Pflichtfahrbereich festgesetzten Beförderungsentgelte
            als vereinbart.

            Das PBefG geht nach der grundlegenden Gerichtsentscheidung
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            erkennbar davon aus, dass die Wirtschaftlichkeit des Beförde-
            rungsvorgangs für den Unternehmer tendenziell am besten
              geeignet ist, die Betriebssicherheit des Beförderungsvorgangs   Der Autor:
            und die Fähigkeit und Bereitschaft zu den vom Gesetz ge-  Rechtsanwalt Thomas Grätz
            wünschten Beförderungsleistungen zu gewährleisten. Deshalb   ist seit über 30 Jahren mit
            hat die Genehmigungsbehörde die Tarife insbesondere darauf-    Personenbeförderungsrecht
            hin zu überprüfen, ob sie unter Berücksichtigung der wirt-  befasst und war Geschäftsführer
            schaftlichen Lage des Unternehmers, einer ausreichenden   vom  damaligen Taxi-Bundes-
              Ver zinsung und Tilgung des Anlagekapitals und der notwen-  verband BZP.  Bekannt ist auch
            digen technischen Entwicklung angemessen sind und mit den   sein PBefG- Standardwerk
              öffentlichen Verkehrsinteressen und dem Gemeinwohl in     „Fielitz ⁄ Grätz“.
              Einklang stehen. Sofern aber bei einem Taxitarif-Anpassungs-
            verfahren weder eine Gewinnspanne noch die Aufwendungen
            für notwendige technische Entwicklungen erkennbar in die
              Prognoseentscheidung der Genehmigungsbehörde eingeflossen
            sind, kann ein Normenkontrollverfahren eines Taxenunter-
            nehmers Erfolg haben und damit die entsprechend erlassene






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