Page 20 - Taxikurier Februar 2023
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Finanzierung
Häufig liest man, dass König Ludwig I. ein
Förderer der Künste und verantwortlich für
die Schmückung seines Königreiches mit
prachtvollen Bauten gewesen sei und dass
er diese Werke aus seiner Privatkasse fi-
nanziert habe. Dieser kritiklosen Fürsten-
verehrung entsprach aber bei Weitem nicht
der Wirklichkeit, denn die notwendigen
riesigen Summen hätte er wohl kaum
selbst aus seinem Privatvermögen aufbrin-
gen können. Als Ludwig I. 1825 den Thron
bestieg, entwickelte er ein vielfach abge-
stuftes System der erzwungenen Finanzie-
rung seiner Bauten. Bereits im Sommer
1831 verlor er dafür jede Hemmung: Die
lebensbedrohliche Seuche der Cholera nä-
herte sich wieder einmal Bayern. In der
allgemeinen Angst vor ihr setzte sich der
König ins sichere Berchtesgaden ab. Von
da aus verbot der angebliche Landesvater,
die bereits erarbeiteten und vom Minister- gegen die Bierpreiserhöhung Anfang März schränken, die Stadt, die er so nachhaltig
rat gebilligten Maßnahmen gegen die Cho- 1844. Während die vorausgegangene Brot- prägte. Eine Auswahl: am Königsplatz die
lera in Kraft zu setzen, um den in München preiserhöhung noch hingenommen worden Glyptothek (1816–1830) und die Propyläen
zurückgebliebenen Landtag (Landschafts- war, brachen bei der Bierpreiserhöhung (1854–1862), die er im Jahr 1848 auch
straße von circa 1580) zur sofortigen Ver- alle Dämme: Rund zweitausend Bürger (bei auf einem Gemälde festhielt, das heute im
abschiedung des dem König zustehenden 90.000 Einwohnern) stürmten die Münch- Münchner Stadtmuseum hängt und 2009
Jahresgehaltes – Zivilliste genannt – un- ner Brauereien, warfen Fensterscheiben auf einer Briefmarke der Deutschen Post
gekürzt zu bewilligen, erst dann dürfe sich ein und zerstörten Mobiliar. Es waren dies zu seinem 225. Geburtstag erschien; der
die Versammlung auflösen. Die Erpressung die Zeiten der Hungersnöte und der Aus- Königsbau der Residenz zum Max-Joseph-
gelang verständlicherweise und dieser Vor- beutung der breiten Bevölkerung sowie Platz hin (1826–1835); der Obelisk auf
gang kennzeichnet sowohl den Charakter der Auswanderung zumeist in die USA. dem Karolinenplatz (1833); die Ruhmes-
als auch den wahren Hintergrund der Ein berühmtes Beispiel dafür ist die völlig halle (1843–1853), wo auch seine Büste
Kunstpolitik Ludwigs. Die Bevölkerung verarmte Familie Strauss aus dem ober- steht; der Monopteros im Englischen Gar-
konnte sein Verhalten nur so verstehen, fränkische Buttenheim: Die verwitwete ten (1833–1837). Eine besondere Rolle in
dass sie es in den Augen des Königs nicht Mutter wanderte mit ihren drei Kindern Klenzes Werk spielte die Alte Pinakothek,
wert sei, vor der Cholera geschützt zu wer- 1847 über Bremerhaven in das Land der erbaut zwischen 1826 und 1836. Ludwig I.
den. Es ging Ludwig nur um das Geld für unbegrenzten Möglichkeiten aus, wo Sohn begann, Klenze gegen den Historienmaler
seine Monumente zur eigenen Selbstdar- Levi Strauss (1829–1902) die Blue Jeans Peter von Cornelius (1783–1867) auszu-
stellung. Dafür war er bereit, buchstäblich erfand und es so zu Anerkennung und spielen, über den Rambaldi schreibt: „Ge-
über Leichen zu gehen – typisch für einen Reichtum brachte. König Ludwigs Verhal- boren zu Düsseldorf am 23. September
Despoten und Gewaltherrscher bis in die ten führte schließlich am 19. März 1848 1783, gestorben zu Berlin am 6. März
heutige Zeit. Auf diese Weise erhielt er das zu seiner von der allgemeinen Bevölkerung 1867, einen der ersten Meister der neuen
Geld beispielsweise für die Alte Pinakothek und auch von den Oberschichten erzwun- deutschen Malerei. Er lieferte die Vorlagen
(1826–1836), den Obelisken am Karolinen- genen Abdankung. Dass er damals gerade zu den großen Freskomalereien in den
platz (1833) oder die Feldherrnhalle in eine Affäre mit der 35 Jahre jüngeren Festsälen der Glyptothek, zu den Wandbil-
(1841–1844). Oder er drohte der Stadt Tänzerin Lola Montez (1821–1861) verwi- dern der Ludwigskirche und zu den Fresko-
München die Verlegung der Universität und ckelt war, bildete lediglich noch das mora- gemälden im Korridor der Pinakothek, die
seiner Residenz an, was außerdem die Ab- lische Sahnehäubchen auf der allgemeinen teils von ihm selbst, teils von seinen
wanderung der Ministerien und Behörden Empörung. Schülern und Gehilfen ausgeführt wurden.
und damit einen gewaltigen finanzieller Auch die geschichtlichen Fresken in dem
Aderlass bedeutet hätte. Auf diese Weise südlichen Teil der Hofgarten-Arkaden ent-
zwang er die Stadt, die Kosten für Grund- Klenze und seine Werke in München standen von 1827 bis 1829 unter der Lei-
stückserwerb zu übernehmen, etwa für die tung von Cornelius, der als Maler und Aka-
von 1829 bis 1844 errichtete Ludwigskir- Leo von Klenze plante im gesamtem Kö- demiedirektor in der Zeitperiode von 1820
che. Die Stadtverwaltung wälzte die Lasten nigreich Bayern monumentale Bauten im bis 1841 unermüdlich in München wirkte.“
durch einen sogenannten Malzaufschlag Stil des Klassizismus, also in Anlehnung an Neben anderen Projekten hätte Klenze ger-
auf die Massen der Armen ab, die somit antike Vorbilder, denn dies entsprach dem ne das Innere der Alten Pinakothek selbst
letztlich über die erhöhten Bierpreise die Geschmack seiner Zeit und insbesondere ausgemalt, denn das bedeutete Geld und
Kosten trugen. Eine Reaktion darauf war dem seines Auftraggebers. Hier soll sich Ansehen. Der König hingegen bevorzugte
die sogenannte Münchner Bierrevolution seine Bautätigkeit aber auf München be- Cornelius für diese Arbeiten, woraus eine
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