Page 19 - Taxikurier Februar 2023
P. 19

STADTKUNDE MÜNCHEN

            ➔ SPUREN IM STADTBILD





           Von Benedikt Weyerer



           König Ludwig I. (1786–1868) stellte den folgenden bescheidenen Anspruch an sich selbst: „Ich, ich der König,
           bin die Kunst von München.“  Er wollte München zur deutschen Hauptstadt der Künste machen, was ihm bekanntlich
           auch gelang, und dafür brauchte er Architekten, die in seinem Sinne arbeiteten. Berühmt ist sein Ausspruch:
           „Ich will aus München eine Stadt  machen, die Teutschland so zur Ehre gereichen soll, daß keiner Teutschland kennt,
           wenn er nicht München gesehen hat.“ Die Ludwigstraße ist Ausdruck dieses Bestrebens, ihre Benennung
           am 8. August 1822 ein Geschenk des damaligen Kronprinzen an sich selbst anlässlich seines 26. Geburtstages.


           Die Architekten Leo von Klenze      Mitglied in die französische Académie des   Sex-Reisen mit angeschlossenen Studien der
           und Friedrich von Gärtner           Beaux-Arts aufgenommen, 1852 mit der   dortigen antiken Architektur nach Italien
                                             britischen Royal Gold Medal ausgezeichnet.   und Griechenland begleiten, beispielsweise
                                             Im Jahr 1861 nahm der preußische König   1824 nach Rom. Der Maler Franz Catel
           Leo von Klenze                    Wilhelm I. (1797–1888, Wilhelmstraße von   (1778–1856) hat eine solche Szene in sei-
                                             1893) Klenze in den preußischen Orden   nem Gemälde „Kronprinz Ludwig in der Spa-
                              Karl Graf von   Pour le Mérite für Wissenschaften und   nischen Weinschänke zu Rom“ 1824 festge-
                              Rambaldi (1842–  Künste auf, 1862 schließlich verlieh ihm   halten. Klenze war als Architekt untrennbar
                              1922, Rambal-  die Stadt München die Ehrenbürgerwürde.   mit Ludwig verknüpft, er wurde mit und
                              distraße von   Klenze starb 1864 zwar wohlhabend, aber   durch den Kronprinzen groß, litt aber unter
                              1930) schreibt   zurückgezogen, verbittert und bereits zu   dessen wechselnden Gunstbeweisen und
                              in seinem 1894   Lebzeiten weitgehend vergessen. Er liegt   schwankenden Kunstauffassungen. Aber er
                              erschienenen   auf dem Alten Südlichen Friedhof an der   war nur nach außen hin der willfähriger
                              Buch „Die Mün-  Thalkirchner Straße 17 begraben, seine   Hofkünstler: Ludwigs künstlerischer Un-
                              chener Straßen-  Büste steht in der von ihm geplanten   verstand und sein flatterhaftes Kunst-
                              namen und ihre     Ruhmeshalle.                  empfinden erlaubten es Klenze, durch
                              Erklärung“ über                                    geschicktes Taktieren und Argumentieren
                              die Klenzestra-                                  Ludwig immer wieder in seine Richtung zu
           ße: „Diese Straße soll den Namen eines um   Ludwig I. und Klenze    lenken. Darüber hinaus hatte Klenze als
           München viel verdienten Architekten in Er-                          Hofbaumeister schon lange vor seinen Kon-
           innerung halten, nämlich des königlichen   Klenze erhielt – allein durch die Gunst des   kurrenten Kenntnis von den Plänen Ludwigs,
           Hofbau-Intendanten Leo von Klenze. Er   Kronprinzen Ludwig – die höchsten Positio-  zudem kannte Klenze die Vorstellungen
           wurde als der Sohn eines hannoveranischen   nen im bayerischen Bauwesen. Dieser Auf-    Ludwigs und genoss während der laufenden
           Gerichtsbeamten auf dem Gute seines Va-  stieg erfolgte allerdings mit Brachialgewalt,   Ausschreibungen den weiteren Vorteil, Ein-
           ters im Fürstentume Hildesheim am 29. Fe-  Konkurrenten wurden rücksichtslos ausge-  blick in die eingehenden Entwürfe seiner
           bruar 1784 geboren und ist am 27. Januar   schaltet und der ungeliebte Ausländer aus   Konkurrenten zu haben. Auf alle Fälle ent-
           1864 zu München als Hofbauintendant,   dem Norden, der sich selbst nie in München   standen unter Klenzes Leitung Werke aus ei-
           Oberbaurat und Vorstand der Oberbaube-  wohlfühlte, avancierte zum bestgehassten   nem Guss, für die Bayern und insbesondere
           hörde im Ministerium des Innern gestor-  Mann der Residenz, dem jeder architektoni-  München bis heute bekannt sind. Als Ludwig
           ben. Nach vorausgegangenen Studien in   scher Fehler in der Öffentlichkeit hämisch   1825 den Thron bestieg, setzte er sein Pro-
           Braunschweig und Berlin und nach wissen-  vorgeworfen wurde. Von 1816 bis 1825 war   gramm der Selbstdarstellung seiner Herr-
           schaftlichen Reisen nach Frankreich, Eng-  Klenze der Favorit des Kronprinzen. Er er-  schaft durch Kunst und Architektur mit allen
           land und Italien erhielt er 1815 auf Veran-  hielt praktisch alle öffentlichen Bauaufträge   Mitteln um. Aber bereits mit der Thronbe-
           lassung des damaligen Kronprinzen Ludwig   im gesamten Königreich Bayern. Aber der   steigung verlor Klenze seine Monopolstel-
           von Bayern einen Ruf als Hofbaurat nach   Preis, den der extrem vielbeschäftigte Klenze   lung als architektonischer Liebling und all-
           München, das er mit so vielen Prachtbau-  dafür zahlte, war hoch, denn er hing völlig   mählich wurde ihm Friedrich von Gärtner
           ten schmückte. Seine Reisen zur Leitung   vom Kronprinzen ab. Ebenso chaotisch und   vorgezogen (1792–1847). Mit der Abdan-
           auswärtiger Bauten abgerechnet, weilte   willkürlich wie bei seinen ewigen Frauenge-  kung Ludwigs im Jahr 1848 geriet er voll-
           Klenze immer in München.“ Hinzuzufügen   schichten, schwankte Ludwig auch in Fragen   ends ins Abseits, denn Ludwigs Sohn und
           wäre noch, dass Leo Klenze 1822 in den   der Architektur unberechenbar hin und her.   Nachfolger Maximilian II. (1811–1864,
           persönlichen und 1833 in den erblichen   Ob er wollte oder nicht, musste Klenze, der     Maximilianstraße von 1858) bevorzugte den
           bayerischen Adelsstand erhoben wurde.    getreue Ehemann und sorgende Vater, sei-  Architekten Friedrich Bürklein (1813–1872,
           Im Jahr 1841 wurde er als auswärtiges   nen Herrn und Gönner zu dessen Sauf- und   Bürkleinstraße von 1888).




                                                                                       FEBRUAR 2023 ⁄ TAXIKURIER ⁄ 19
   14   15   16   17   18   19   20   21   22   23   24