Page 30 - Taxikurier November 2020
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Geburt, also für seinen Sohn nicht standes-  Lehel, also war eine Umbenennung not-  zeichnete ein kleines Herrschaftsgebiet, in
           gemäß war. Der Vater ordnete die Ermor-  wendig. Seit 1947 trägt die Straße den Na-  dem der adlige Herr die Gerichtsbarkeit
           dung der jungen Frau an und sie wurde im   men Westerholzstraße nach einem Wald   ausübte, von seinen Bauern den zehnten
           heutigen Stadtgebiet von Straubing in   westlich von Menzing. Nach diesen frühen   Teil ihrer Produkte beanspruchte und au-
             einen Sack genäht und mit einem Stein   Turbulenzen zogen ruhigere Zeiten ein und   ßerdem ihre Arbeitskraft zum Bau von Stra-
             beschwert in der Donau ertränkt. Seit 2013   die Burg – damals weit entfernt von Mün-  ßen, Brücken oder eben Burgen. War dieser
           erinnert gegenüber der Hofeinfahrt ein   chen – diente der Abschiebung ungeliebter   Herr nicht anwesend, vertrat ihn ein Pfle-
           Denkmal des Künstlers Joseph Neustifter   Ehefrauen und der eleganten Entsorgung   ger, der sich um die adligen Belange küm-
           an das tragische Paar: Es heißt „Ein Denk-  von abgehalfterten Konkubinen der Wit-  merte. Und jetzt sind wir auch schon bei
           mal für die Liebe“. Danach entsprach der   telsbacher. Schloss Blutenburg blieb   verschiedenen anderen heutigen Straßen-
                                             gleichzeitig wittelsbachischer Verwaltungs-  benennungen in der Umgebung der Bluten-
                                             sitz der Hofmark Menzing für die umliegen-  burg. Die Pflegerstraße bezieht sich ganz
                                             de Gegend, geleitet von einem so genann-  allgemein auf dieses Amt. Auch einzelne
                                             ten Pfleger. Seit dem 18. Jahrhundert   Pfleger – hier in alphabetischer Reihenfol-
                                             wurden Schloss und Hofmark verkauft,   ge – kamen zu Ehren: Gailkircher (amtierte
                                               unter anderem an Josef Franz Maria Ignaz   im 16. Jahrhundert), Höhenkircher (15.),
                                             Graf von Seinsheim (1727–1787, Seins-  Kastell (18.), Loichinger (14.), Michelspeck
                                             heimstraße von 1929). Der letzte Aufreger   (15.), Pfetten (17.), Rißheimer (16.),
                                             war 1848 der Besuch der schillernden Kon-  Schnabl (15.), Seld (16.) und Wiguläus
                                             kubine des Königs Ludwig I. (1786–1868,   Hundt (16. Jahrhundert). Folgende nicht
                                             Ludwigstraße von 1822), der dubiosen    mehr bestehenden Bauernhöfe gehörten
                                             Lola Montez (1821–1861). Von 1866 bis   zur Hofmark Menzing: der Feichthof, der
                                             1957 war das Schloss schließlich an das   Hofbauer, Samerhof, Sedelhof sowie der
                                               Institut der Englischen Fräulein verpachtet,  Ziegelhof. Der zehnte Teil der Erträge die-
                                             1957 bis 1976 diente es den Schwestern   ser Höfe musste im Zehentstadel abgege-
                                             des Dritten Ordens als Altersruhesitz.   ben werden; er befindet sich am Zehentsta-
                                               Während dieser Zeit verfiel die Bausubstanz   delweg 6 und steht unter Denkmalschutz.
                                             zusehends.                        Das kirchliche Zentrum des Gebietes war
                                                                               die unscheinbare Kirche Sankt Wolfgang an
                                                                               der Pippinger Straße 49 a. Der Weiler Pip-
                                             Heute                             ping gehörte zur Hofmark Menzing und er-
                                                                               hielt seine Kirche im Jahr 1478, beauftragt
                                             Von engagierten Obermenzinger Bürgerin-  vom selben Herzog Sigmund, der auch die
                                             nen und Bürgern wurde 1974 der „Verein   Schlosskirche errichten ließ. Innerhalb der
                                             der Freunde Schloss Blutenburgs“ gegrün-  Friedhofsmauer liegt ein kleiner Gottes-
                                             det, der bereits wenige Jahre später über   acker, der ununterbrochen seit 1480 be-
                                             1.000 Mitglieder zählte. Diesem Verein und   steht. Auch Sankt Wolfgang steht unter
                                             insbesondere dem langjährigen Vorsitzen-  Denkmalschutz.
                                             den, dem Münchner Stadtrat Wolfgang
           Sohn dem Willen des Vaters und heiratete     Vogelsgesang (1932–2000), ist es zu ver-
           bereits 1436 Anna von Braunschweig, mit   danken, dass 1980 der erste Spatenstich    Blutenburgstraße
           der er in der Blutenburg lebte und zehn   zu umfangreichen Sanierungsarbeiten
           Kinder hatte. Seitdem trug Albrecht den   stattfinden konnte. Bis 1983 dauerten die   Bis 1794 trug die Straße von München
           Beinamen „der Fromme“. Ein Sohn dieses   Aus- und Umbauarbeiten, dann zog die   nach Neuhausen (eingemeindet 1890) den
           Paares hieß Herzog Sigmund (1439–1501).     öffentlich zugängliche Internationale   inoffiziellen Namen Neuhauser Fahrtweg,
           Er war nie verheiratet, nachdem 1456 eine   Jugend bibliothek ein, die seither im   seitdem hieß sie offiziell Nördlicher Mars-
           geplante Hochzeit an den hohen Mitgiftfor-  Schloss beheimatet ist. Gegründet 1949   feldweg und später Äußere Karlstraße.
           derungen der Wittelsbacher gescheitert   von der Kinderbuchautorin Jella Lepman   Im Jahr 1876 beschloss der Münchner
           war. Sigmund lebte später mit der bürgerli-  (1891-1970, Jella-Lepman-Straße von   Magis trat, der Äußeren Karlstraße bis zur
           chen Margarete Pfättendorfer (1439–1501,   1990), weist die Bibliothek inzwischen   Stadtgrenze zu Neuhausen den Namen Blu-
           Pfättendorferstraße von 1928) zusammen     einen Bestand von 500.000 Bänden in   tenburgstraße zu geben. Nach der Einge-
           und die beiden hatten zwei Kinder. Insge-  120 Sprachen auf.  Eine Gaststätte mit   meindung Neuhausens wurde die Straße
           samt hinterließ Sigmund vier Nachkommen,   schönem Biergarten innerhalb und außer-  namentlich bis zum heutigen Rotkreuzplatz
           von denen aber nur zwei von Margarete   halb der Mauer lädt zum Verweilen ein. Es   verlängert. Man kann nur über die Beweg-
           stammten. Sigmunds Bruder hieß Johann   versteht sich von selbst, dass die gesamte   gründe dieser Namengebung spekulieren:
           (1437–1463, Herzog-Johann-Straße von   Anlage unter Denkmalschutz steht.  Vielleicht gab die parallel verlaufende
           1922). Auch er blieb unverheiratet und                              Nymphenburger Straße von 1664 den An-
           starb in jungen Jahren an der damals                                lass, das westlich hinter Schloss Nymphen-
             grassierenden Pest. Ein Einschub noch zur   Die Hofmark Menzing   burg liegende Schloss Blutenburg mit
           Herzog-Sigmund-Straße: Als Obermenzing                                einem Straßennamen zu versehen, weil es
           1938 nach München eingemeindet wurde,   Die Blutenburg war das weltliche Zentrum   in derselben Richtung lag. Wir wissen es
           gab es dort bereits die Sigmundstraße im   der Hofmark Menzing. Eine Hofmark be-  nicht. (BW)




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