Page 28 - Taxikurier November 2020
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STADTKUNDE MÜNCHEN
Benedikt Weyerer
➔ DIE BLUTENBURG
Obermenzing
Gleich hinter dem Schirmer-Stand, der trotz seines Namens bekanntlich am Seldweg liegt, befindet sich eine Sehens würdig-
keit ersten Ranges, die allerdings vom Fremdenverkehr völlig unberührt bleibt, einfach weil sie zu weit außerhalb der
touristischen Schwerpunkte gelegen und mit den öffentlichen Verkehrsmitteln nicht einfach zu erreichen ist: Schloss
Blutenburg am Seldweg 15 in Obermenzing. Wegen der Größe Münchens stammen auch die meisten einheimischen Besu-
cher aus den westlichen Stadt gebieten, weil man die Blutenburg im Allgemeinen zu Fuß oder mit dem Fahrrad besucht.
laufenden Würm umgeben war. Der Graben
istockphoto und die Burganlage wurden natürlich nicht
vom Adel oder seinen Angestellten ausge-
hoben und erbaut, sondern von den dazu
gezwungenen Bauern – das sollte man bei
diesen und anderen großen Bauten der
angeblich guten, alten Zeit nicht verges-
sen. Von dem Graben hat sich der größte
Teil erhalten. Von außen sieht man die
Burgmauer und ihre Wehrtürme, die Dächer
auf verschiedenen Ebenen sowie den
Kirchturm. Die Blutenburg gehört ohne
Zweifel zu den spektakulärsten Burganla-
gen in München und weit darüber hinaus.
Das Innere
Durch den Torturm betritt man das Innere
der Burg. Herzog Albrecht III. (1401–1460,
Albrechtstraße von 1890) ließ die Wasser-
burg aus dem 13. Jahrhundert zwischen
1431 und 1440 zu einem Landsitz erwei-
Aus der Ferne oder auch wenn man den In- der Architekt Jörg von Halsbach, der sich tern. Sein Sohn Herzog Sigmund (1439–
nenhof der Burg betritt, könnte man sich Ganghofer nannte (gestorben 1488, 1501, Sigmundstraße von 1877) übertrug
vorstellen, dass es hier in früheren Zeiten Ganghoferstraße von 1877), oder der Bild- im Jahr 1488 der Bauhütte der gerade eben
zu manch gruseliger Gewalttat gekommen hauer und Kirchenmaler Jan Pollack (um fertig gestellten Münchner Frauenkirche
sein könnte und dass die Anlage deshalb 1450–1519, Jan-Pollack-Straße von 1931). mit ihrem Dombaumeister Jörg von Hals-
ihren heutigen Namen nach dem menschli- Aber dies sind Vermutungen, die Wortbe- bach den Anschlussauftrag, eine repräsen-
chen Blut und damit zusammenhängenden deutung bleibt im Dunkel der Vergangen- tative Schlosskapelle zu errichten und
Verbrechen erhielt. Der Name hat aber heit verborgen. kostbar auszustatten, unter anderem mit
nicht zwangsläufig etwas mit Blut zu tun, drei Altären nach einem Entwurf von Jan
ebenso spekulativ ist jedoch auch die An- Pollack. Dominiert vom wuchtigen Herren-
nahme, dass sich der Name von dem mit- Die Anlage von außen haus, zeigt sich der Innenhof so gut wie in
telhochdeutschen Wort für Blütenburg, also seinem ursprünglichen Zustand. Die Burg
etwas Schönen, ableitet. Möglich ist auch Die Anlage geht auf eine Wasserburg des diente seit 1508 dem Adel aus dem Hause
die Herleitung vom altbairischen Begriff 13. Jahrhunderts zurück, also rund hundert Wittelsbach, das von 1180 bis 1918 über
„blueten“ oder modern „ausbluten lassen“ Jahre nach der Gründung Münchens im Jahr Bayern herrschte, als Jagdschloss des Ge-
im Sinne von wirtschaftlich ausbeuten, 1158. Die heutigen Gebäude entstanden im bietes Menzing inmitten der ausgedehnten
dass also die damaligen Untertanen der 15. Jahrhundert, wurden erstmals 1432 er- Wälder, die damals noch weite Teile des
Burgherren für den Bau rackern und zahlen wähnt und schließlich 1439 vollendet, die Landes bedeckten. Wegen des weitgehend
mussten, denn nur die besten Baumeister Kirche dann im Jahr 1488. Ursprünglich lag spätmittelalterlich erhaltenen Zustandes
und Künstler der Erbauungszeit im 15. Jahr- die Blutenburg auf einer künstlich angeleg- können wir Heutigen uns gut in das dama-
hundert wurden beschäftigt, beispielsweise ten Insel, die vom Wasser der nebenan ver- lige Leben hineindenken.
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