Page 16 - Taxikurier November 2020
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TITELTHEMA
Fotos: istockphoto
➔ EINBLICKE IN DIE BESTATTUNGSKULTUR
Der Tod gehört zum Leben. Ein Satz den viele bejahen. Aber setzen sie sich auch wirklich damit auseinander? In der
modernen Zeit wird das Sterben verdrängt. Die Spaßgesellschaft lässt keinen Platz für Sterben, Trauer und Tod. Wie gingen
unsere Vorfahren mit dem Tod um und welche Bedeutung hat Sterben heute in unserer Gesellschaft?
Geschichte und Tradition bestattet. Archäologen fanden in Qafzeh Die Ägypter entwickelten im Laufe der Zeit
in Israel ein Grab aus dieser Zeit. Das bis- eine besonders ausgeklügelte Technik der
Unsere moderne Bestattungskultur hat eine her älteste bekannte Grab in Deutschland Bestattungskultur. Allein die Vorbereitung
lange Tradition und geht zurück bis in die wurde nördlich von Berlin gefunden. Es ist des Toten durch Mumifizierung in Vorberei-
Anfänge der Menschwerdung. Ein Bewusst- etwa 8.000 Jahre alt. Die Toten wurden in tung auf die Grablege dauerte Monate. Im
sein für den Tod und die Trauer um den aufrechter Position bestattet. Bevor sich antiken Griechenland waren Verbrennungen
Verstorbenen ist keine rein menschliche die ersten Hochkulturen herausbildeten, üblich.
Eigenschaft und unterscheidet uns keines- wurden die Toten zwar mit Grabbeigaben
wegs von hoch entwickelten, in sozialem aber ohne den später üblichen Schutz von In Europa finden sich aus der Frühzeit die
Gefüge lebenden Säugetieren. So kann man Stein oder Holz in die Erde gelegt. sogenannten Hünengräber. In ihnen befin-
bei Affen, Elefanten, Wölfen u.v.a. Tieren den sich bis zu 12 Meter lange Kammern,
beobachten, wie sie um einen verstorbenen die aus riesigen Gesteinsblöcken zusam-
Artgenossen trauern, bei ihm verweilen Ausgeklügelte Techniken mengefügt und mit Erde bedeckt wurden.
oder auch den Platz, an dem er starb, im- Bis zu einhundert Tote wurden in diesen
mer wieder besuchen. Welche Bedeutung der Tod im Leben der Gräbern bestattet. Genau wie die Pyrami-
Menschen spielte, zeigen uns die sich ent- den muss ihr Bau einen enormen Zeit- und
Der Mensch hat diese, uns wohl angebore- wickelnden Kulturen weltweit. Der bekann- Arbeitsaufwand bedeutet haben. Der Name
ne Eigenschaft der Empathie, im Laufe der teste Beweis dafür sind die Pyramiden nahe „Hünengräber“ ist der Unwissenheit unse-
Entwicklungsgeschichte weiter entwickelt. Kairo in Ägypten, aber auch die Pyramiden rer Vorfahren geschuldet. Diese glaubten,
Warum ist dem so? Es hat sich gezeigt, der süd- und mittelamerikanischen Urein- dass nur „Hünen“ (Riesen) diese Bauwerke
dass es für soziale hochentwickelte Wesen wohner. errichtet haben konnten.
von Vorteil ist, das sterbende Mitglied der
Gemeinschaft im Sterbeprozess zu beglei-
ten und auch nach dem Tod auf bestimmte
Weise zu ehren. Dies stärkt das soziale
Gefüge, zeigt Machtstrukturen auf und fes-
tigt diese, was das Überleben der Gruppe
sichert. So haben sich weltweit im Laufe
der Menschheitsgeschichte unterschiedli-
che Bestattungsrituale und -formen entwi-
ckelt, die aber alle den gleichen Ursprung
und Anspruch haben. Sicher ist, dass be-
reits in den frühen Kulturen die Begräbnis-
se eine wichtige Rolle im sozialen Leben
spielten.
Bereits vor 100.000 Jahren haben unsere
Vorfahren ihre Verstorbenen in der Erde
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