Page 19 - Taxikurier Oktober 2022
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Tagsüber wurden Linienbusse behindert, wünsche zu bedienen und dabei immer flink nicht zeitgleich für die Frühfahrt am Folge-
Anlieger und Ladeninhaber konnten von und freundlich zu agieren, das alles unter tag anbieten, und wer die Frühfahrt aus-
deren Kunden nicht mehr angefahren wer- einen Hut zu bringen, war nicht immer ein- führte, konnte nicht um 14 Uhr für die Spät-
den. Aber das Schlimmste: Fahrgäste am fach. Vor allem stieg der psychische Druck, fahrt bereitstehen. Wir hatten alles erreicht:
Taxistand wurden abgewiesen, weil man ja denn der eine oder andere Fahrer bedrohte Keine Fahrer mehr, die im Taxi nächtigen,
„nur für den SEV“ bereitsteht und nicht für verbal unser Personal, wenn ein Auftrag keine Engpässe mehr an Großraumtaxis im
Kurzstrecken. Das Standplatztelefon wurde nicht so vergeben wurde, wie es sich der Nachtgeschäft, keine Kolonnen, die halb
ignoriert und nicht bedient, Gaststätten, einzelne gewünscht hatte. Hierzu einige Fürstenried lahmlegten, keine hunderte von
Firmen und Ärzte erhielten keine Taxis mehr, Beispiele: Seit 2016 bilden wir Taxibusfahrer Anrufen durch Taxibusfahrern in unserer
weil unsere große Taxibus-Flotte mit dem aus. Nach erfolgter Ausbildung werden Zentrale, die damit wertvolle Annahmekapa-
strategischen Fahrpersonal dran war, unser die Fahrer bei der Vergabe bevorzugt. Seit zität blockierten.
Image und unser Geschäft in einem ganzen 2011 ist es erforderlich, im Zuge einer ver-
Stadtteil zu zerstören – aus Raffgier und aus traglichen Vereinbarung sein Taxi zur Teil- Am 16. August endete vorerst der SEV-
Dummheit. nahme am SEV anzumelden. Auch hier fah- Einsatz, weil die Deutsche Bahn einen
ren die Taxis mit Vertrag zuerst, Taxis ohne Bus-Ersatz-Verkehr aufbauen konnte,
Trauriger Höhepunkt der Entwicklung war Vertrag füllen nur die Lücke, wenn es kein welcher natürlich von der Fahrgastkapa-
dann Dienstag, der 26. Juli 2022: Neben anderes Taxi mehr gibt. Ebenso gilt die zität wesentlich effizienter ist. In der
den zahl reichen Aufträgen für das Oberland Ausgleichs regel bei Leerfahrten und die Summe führten unsere Taxibusse in die-
durften wir auch einen SEV für die S-Bahn satzungsge mäße Pflicht zur Bedienung des sen fünf Wochen um 1.700 SEV-Einsätze
in Wolfratshausen übernehmen. Zufällig wird Standplatztelefons. Die vorsätzliche Nicht- mit einem Gesamt-Umsatzerlös von weit
dies auch am Fürstenried 2 vermittelt. Diese bedienung kann zum Ausschluss aus der über 1,5 Millionen Euro durch.
Aufträge in Wolfratshausen brachten Umsat- Taxi-München eG führen!
zerlöse pro Fahrzeug von 700 bis 900 Euro Es waren intensive Zeiten, die auch lehrreich
an jenem Tag. Trotzdem erlaubten sich eini- Durch täglich wechselnde Vergabezeiten waren. Wir möchten uns bedanken beim
ge Taxibus-Fahrer die unverfrorene Frech- konnten wir die Eigendynamik unter den Auftraggeber in Berlin sowie beim Strecken-
heit, in der Zentrale anzurufen und unser sich gruppierenden Taxibussen in den Griff und Bahnhofspersonal der Deutschen Bahn
Funkpersonal aufzufordern, den SEV in bekommen und somit allen unseren entlang der Strecke, denn nur durch die per-
Wolfratshausen zurückzunehmen, denn 229 Taxibussen die Chance geben, diese manente Kommunikation konnte der SEV
schließlich stünden die Herren Taxibusfahrer lukrativen Aufträge zu erhalten. Auch hier- erfolgreich abgewickelt werden. Ich möchte
ja seit fünf Stunden bereits hier und warte- für nochmals Dank an die Leitung unserer mich an dieser Stelle aber auch bei unseren
ten auf die lukrative 1.000-Euro-Fahrt im Zentrale, die sich trotz permanenter telefo- Mitarbeitern in unser Zentrale bedanken,
SEV Murnau, dann will man schließlich keine nischer Beschwerden Einzelner nicht zer- die in Zeiten von Personalknappheit diesen
mickrige 700-Euro-Fahrt in Wolfratshausen mürben ließ und für Gerechtigkeit und dicken Brocken noch quasi „nebenbei“ ge-
ausführen. Manche Taxifahrer kamen auf die Chancengleichheit für alle Mitglieder sorgte! meistert haben, genauso wie die Damen und
glorreiche Idee, eigenmächtig den Fahrauf- Trotzdem gab es noch dringenden Hand- Herren in der Abteilung Kundenservice und
trag zwei Stunden früher zu beenden. Nicht lungsbedarf: das Taxigeschäft im Stadtteil der kaufmännischen Verwaltung, denn auch
ohne Grund: Man fuhr zurück nach München, Fürstenried drohte zu zerbrechen, weil Kun- die Rechnungen für 1.700 SEV-Einsätze
und stellte sich sofort wieder in Fürstenried den wie auch das Telefon am Standplatz mussten erstmal en Detail erstellt, geprüft,
bereit, um bei den Spätfahrten nochmals ignoriert wurden. Wir brauchten eine Lö- gebucht, digitalisiert, übermittelt und nach-
zuzuschlagen. Es gab nichts, was es nicht sung: Einen Taxistand, an dem die Meute – kontrolliert werden.
gab. man kann nicht anders sagen – keinen Scha-
den anrichten kann, ohne Einsteiger ohne Was bleibt, ist der Blick zurück auf einen
Die Leitung der Taxizentrale musste erneut Rufsäule, ohne Nachbarn. Groß war die bisher einmaligen Großeinsatz unser Taxi-
reagieren: Wir konnten es nicht verantwor- Auswahl unter diesen Kriterien nicht, und bus-Flotte sowie der Gedanke, wie wir künf-
ten, dass manche Fahrer tagelang im Taxi so blieb letztendlich nur der große Stand tig mit dem Verhalten derjenigen Kollegen
hausten, nur um jeden Tag mindestens an der Messe-West am Messe-See. umgehen, die durch ihren Auftritt rund um
einen Teil der SEV-Aufträge zu schnappen. diese SEV-Geschichte der Taxi-München eG
Wir mussten kurzfristig Regeln aufstellen, Gesagt, getan. An den letzten neun Einsatz- und dem gesamten Gewerbe Schaden zuge-
um die Sicherheit zu gewährleisten und um tagen hatten wir nur noch vom Messe-West fügt haben. Es hat sich gezeigt, wie wichtig
zu vermeiden, dass ein übermüdeter Taxler ab vermittelt, und abermals das System an- die Sonderausbildung für Fahrer von Groß-
irgendwo im Sekundenschlaf die Leitplanke gepasst: Die Frühfahrten gab es am Vortag raumtaxis ist, und es hat sich gezeigt, dass
durchbricht. um 17 Uhr, und die Spätfahrten gingen am die mühevolle Nachkontrolle derartiger Auf-
Fahrtag als Direktauftrag eine Stunde vor träge und die Ahndung von Verstößen in
Unsere Zentrale hat hier Großartiges geleis- Termin auf die Displays. Damit hatten wir unser aller Interesse liegt, um derart wich-
tet. Die Koordination der Verkehre, in Zeiten alle Fliegen mit einer Klappe geschlagen: tige Großkunden zu halten und weiterhin
knapper Taxis trotzdem nahezu alle Kunden- wer ab 15 Uhr im Einsatz war, konnte sich hervorragend zu bedienen. (TK)
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