Page 23 - Taxikurier Juni 2022
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GROSSMARKTHALLE                   trag nur für die laufenden Erhaltungskosten  Naja, ganz so klar ist das auch wieder nicht.
                                              (s.o.) auflaufen dürfte, bis alles neu ge-  Bei der Stadtratswahl 2020 erhielten die
            Die Großmarkthalle (tatsächlich: mehrere   baut ist. Inclusive der geplanten Büroflä-  Grünen 29,1 % bei einer Wahlbeteiligung
            Hallen) existiert seit 110 Jahren. Das Ge-  chen und Wohnungen, die man hernach wie   von 49 %. Mit anderen Worten: von allen
            lände hat heute eine Fläche von 31 Hektar,   auch die Markthallen selbst vermieten   Wahlberechtigten (= 100 %) erhielten die
            also 310.000 Quadratmetern zwischen     würde, wäre das langfristig wohl rentabler,   Grünen also noch nicht einmal 15 Prozent.
            Thalkirchner- und Schäftlarnstraße.  als noch mindestens ein Jahrzehnt lang
                                              weiter Unsummen an Steuergeldern in die   Zwar – als damit stärkste Fraktion – mehr
            Die Gebäude sind teils so marode, dass   bestehenden Ruinen zu buttern – nur da-  als jede der Konkurrenzparteien, aber da-
              allein bis 2024 etwa 30 Millionen Euro   mit der ganze Komplex hernach einem   von einen so bombastischen Alleinvertre-
              dafür reingesteckt werden müssen, um     „Investor” gehört!       tungsanspruch („Die Bürger ... haben ent-
            überhaupt den Betrieb ohne Lebensgefahr                             schieden”, s.o.) abzuleiten, ist dann schon
            für die Beschäftigten aufrecht erhalten zu   Aber da sind die vollkommen überflüssige   verwegen. „Die Bürger” – dazu gehören
            können. Deshalb sollten die Gebäude so-  Generalsanierung der Kulturvollzugsanstalt   auch alle, die gar nicht (51 %) oder nicht
            wieso schon lange weg und alles sollte neu   am Gasteig – quasi ein Neubau für 450 Mil-  die Grünen gewählt haben, zusammen
            gebaut werden. Aber das verzögert sich ...   lionen Euro nach nur 35 Jahren Betrieb –   also ca. 85 Prozent der wahlberechtigten
            ähh ... ein klein wenig. Das ist also wie bei   und die blattgoldverzierten Luxusradwege   Münchner. Auch wenn man den verkehrs-
            einem alten Auto, dessen Fußmatten noch   (bis 2025 verplante 1,6 Milliarden Euro!)   politischen Wurmfortsatz der Grünen, die
            der stabilste Teil des Unterbodens sind, das   natürlich viel wichtiger.  Münchner SPD mit ihrem Anteil von 22 %
            man aber immer wieder reparieren muss,                              der abgegebenen Stimmen in 2020, dazu-
            weil in absehbarer Zeit kein Ersatz zu be-                          rechnet, kommen beide zusammen auf
            schaffen ist. Ein Fass ohne Boden!  ONLINE-UMFRAGE                  ca. 25 % bei allen Wahlberechtigten. Etwa
                                                                                ein Viertel. Aber ein bisserl Größenwahn
            Und das kam so: ursprünglich wollte die   Am 20. April wurden die Ergebnisse einer   darf schon sein, gell, Frau Lux?
            Stadt selbst dort neu bauen, die damalige   Online-Umfage bekannt, die das Münchner
            Stadtratsmehrheit aus CSU und SPD kassier-  Mobilitätsreferat durchgeführt hatte.
            te jedoch 2017 diesen Beschluss und     Danach bekundeten 71,69 Prozent der Be-  WIESN
            machte sich auf die Suche nach einem   fragten, dass ihnen der motorisierte Indi-
              Investor. Dieser wurde 2019 in Gestalt der   vidualverkehr „sehr wichtig“ sei; dagegen   Nach langem Zaudern gab Münchens OB
            Firma UGM (Umschlagzentrum Großmarkt   hielt mehr als die Hälfte der Teilnehmer   Reiter am 29. April die Freigabe für die
            München) gefunden. UGM freilich kam   (52,28 %) das Thema Radverkehr für   diesjährige Wiesn bekannt. Sie kann also
            nicht aus dem Kreuz, weshalb sich heute     „unwichtig”. Peinlich!  vom 17. September bis zum 3. Oktober
            die Stadt und die Firma gegenseitig mit                             stattfinden, und zwar nach derzeitigem
            Schuldzuweisungen überschütten, wer das   Radlfreunde argwöhnten pflichtgemäß, die   Stand ohne Masken, G2-, G3- und sonstige
            wohl zu verantworten hat.         Umfrage sei manipuliert worden, z. B. durch   Regeln. Auch Maggus I. hatte sich zuvor
                                              Autolobbyisten, die auf einschlägigen   vehement für das diesjährige Oktoberfest
            UGM wurde unterdessen von der Grünwalder   Internetseiten kräftig für ein Votum pro   eingesetzt – derselbe Söder, der noch Mitte
            Investorengruppe Büschl übernommen, die   Autoverkehr geworben hätten. Zwischenfra-  März nach der Neufassung des Infektions-
            die bisherigen Neubaupläne teils über den   ge Schrotti: könnte es sein, dass vor dem   schutzgesetzes der Bundesregierung vorge-
            Haufen werfen will, was die Sache nicht   „Radentscheid” 2019 der Radlclub ADFC,   worfen hatte, sie sei vom „Team Augen-
            einfacher macht. Und, so ganz nebenbei,   die Grünen usw. auf ihren jeweiligen Foren   maß” zum „Team Blindflug”  gewechselt.
            existiert auch noch ein bis 2037 laufender   auch Werbung für ihr Anliegen gemacht   Für wie blöd hält uns dieser intellektuelle
            Mietvertrag zwischen UGM und der Stadt     haben? Neiiin, natürlich nicht! Die waren   Bodenturner eigentlich? Der tauscht seine
            für Teile des Areals ...          da ganz neutral und haben niemanden zu   Meinung doch öfter aus als andere ihre Un-
                                              beeinflussen versucht ...         terhose und meint auch noch, wir würden
            Da zwischenzeitlich auch die Stadtwerke                             das nicht merken. Vielleicht versteht er das
            München (SWM) Interesse an dem Gelände   Insgesamt gab es bei der anonymen Umfra-  als „Meinungsaustausch”. Wie auch immer,
            anmeldeten, muss das ganze Projekt nun-  ge 2.738 Rückmeldungen mit rund 18.000   OB Reiter, der seine Meinung auch schon
            mehr europaweit ausgeschrieben werden,   Antworten auf die 19 Einzelfragen, was die   länger ausgetauscht hat, nämlich gegen
            was der Stadtrat Ende April zwar zähneknir-  üblichen Verdächtigen (Gudrun Lux von den  die der Grüninnen und Grünen, nutzte die
            schend, aber mit großer Mehrheit auch so   Grünen und Nikolaus Gradl von der SPD) zu   Gelegenheit, dass dortigerseits beim Thema
            beschloss. Grüne, Linke und ÖDP im Stadt-  dem reflexartigen Hinweis veranlasste, die   „Wiesn” wohlwollend genickt wurde. Na, da
            rat hadern mit dieser Entscheidung und   Umfrage sei nicht repräsentativ gewesen.   kann man doch mal mutig sein! ➔
            hätten es lieber gesehen, wenn – wie   So einfach ist das.
              ursprünglich ja geplant - die Stadt selbst
            dort bauen würde. Das Kommunalreferat   Lux weiter: „Die Grundsatzentscheidung
            nannte dafür mal einen Betrag von 160   zur Mobilitätsstrategie der Landeshaupt-
            Millionen. Aber auch wenn es danach, wie   stadt wurde bei der größten Münchner
            immer, das Doppelte oder Dreifache kosten   Volksbefragung der letzten Jahre getroffen:
            würde, gibt es hier ganz kostenlos Schrot-  der Kommunalwahl 2020. Die Bürger haben
            tis Tipp: einfach mal den Taschenrechner   sich hier klar für eine Verkehrswende ent-
            rausholen und überschlagen, welcher Be-  schieden”.



                                                                                           JUNI 2022 ⁄ TAXIKURIER ⁄ 23
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