Page 33 - Taxikurier Juni 2021
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Juli 1945: Ramersdorf             Oertelplatz, Hans-Dauser-Straße zu Prieß-  Juli 1945: Harlaching
                                             nitzstraße, Ritter-von-Epp-Straße zu Ser-
           Aus den spärlichen Akten jener chaotischen  türnerstraße, Georg-Hirschmann-Straße    Die als „Alte-Kämpfer-Siedlung“ und „Sied-
           Zeit ist nicht immer ersichtlich, warum sich   zu Servetstraße und dann noch die unver-  lung der Nationalsozialistischen Kriegs-
           die Stadtverwaltung bei welchen Vierteln   meidliche Adolf-Hitler-Straße, die nunmehr   opferversorgung“ bezeichneten Neubau-
           zu welchen Namen entschloss. Es kann im   Vesaliusstraße heiß. Auch hier erteilte    gebiete mit ihren dazu passenden Straßen-
           Allgemeinen lediglich festgestellt werden,   die Militärbehörde am 26. Juli 1945 ihre   namen beherbergten ausschließlich im
           dass häufig thematisch zusammenhängende  Genehmigung. Auf genauere biografische   braunen Sinn verdiente Volksgenossen und
           Benennungen zum Zug kamen. Die natio-  Angaben kann hier aus Platzgründen nicht   -genossinnen. Umso bitterer für die Betrof-
           nalsozialistischen Straßennamen waren in   eingegangen werden.      fenen, nun demokratische Politiker als
           den meisten Fällen in Neubaugebieten ent-                             Adresse angeben zu müssen oder mit
           standen, hatten also ihrerseits selten Um-                            Eichthal sogar einen Juden. Wer Glück
           benennungen verursacht. Nehmen wir als   Juli 1945: Neu-Aubing        hatte, bekam eine ideologisch neutrale
           Beispiel die 1934 fertig gestellte Muster-                          Straßenbenennung: Die Wachenfeldstraße
           siedlung Ramersdorf am Ende der Rosen-  Für Neu-Aubing entschied man sich für    wurde zur Eichthalstraße nach einem jüdi-
           heimer Straße. Die dortigen Straßen waren   Umbenennungen nach unpolitischen Burgen   schen Bankier, Daniel-Sauer-Straße zur
           benannt nach Nationalsozialisten, die wäh-  in Nordbayern, nachdem dort NS-Größen   Friedrich-Ebert-Straße, Maikowskistraße
           rend des fehlgeschlagenen Hitler-Putsches   zum Zug gekommen waren: Schlageterstra-  zur Stresemannstraße sowie Oskar-Körner-
           am 9. November 1923 am Odeonsplatz von   ße zu Betzensteinstraße, Josef-Neumaier-   Straße zur Vollmarstraße. Glück hatten die
           der Polizei erschossen worden waren. Am   Straße zu Freienfelsstraße, Ludwig-Siebert-   Anwohner der Obersalzbergstraße, die nun
           1. Juli 1945 verfügte Oberbürgermeister   Platz zu Gößweinsteinplatz, Doktor-Frick-   Steingadener Straße hieß, und die des
           Scharnagl die Umbenennung nach Orten    Straße zu Hoheneckstraße, Hermann-   Schlageterplatzes, der zum Wörnbrunner
           im Chiemgau. Er begründete dies damit,   Göring-Straße zu Liebensteinstraße,    Platz wurde. Die Hans-Schemm-Straße
           dass die benachbarte Autobahn in Rich-   Doktor-Goebbels-Straße zu Neideckstraße,   kehrte zum früheren Namen Rotbuchen-
           tung Chiemsee führe und dass sich die   Herbert-Norkus-Straße zu Pottenstein-  straße zurück ebenso wie der Horst-Wessel-
           Chiemgaustraße ebenfalls dort befinde. Am   straße, Hans-Schemm-Straße zu  Raben-  Platz, jetzt wieder Hochvogelplatz.
           26. Juli 1945 genehmigte die US-Militär-  eckstraße, Rudolf-Heß-Straße zu Raben-
           behörde diese Entscheidung und es wurden   steinstraße, Adolf-Wagner-Straße zu
           aus der Allfahrtstraße der Schlechinger   Seldeneckstraße sowie die Ritter-von-Epp-  Juli 1945: Langwied – Lochhausen
           Weg, aus der Bauriedlstraße die Bernauer   Straße zur Streitbergstraße. Nach Orten
           Straße, aus der Casellastraße die Herren-  westlich von München wurden umbenannt   In diesem noch sehr ländlichen Stadtviertel
           chiemseestraße, aus der Ehrlichstraße die   die Julius-Schreck-Straße in Grafrather   griff die Stadtverwaltung auf die uralte und
           Stephanskirchener Straße, aus  der Hechen-  Straße und die Horst-Wessel-Straße in   damit mit Sicherheit völlig unproblemati-
           bergerstraße die Krottenmühlstraße, aus   Schöngeisiger Straße. Und dann natürlich   sche Vergangenheit zurück, nämlich auf
           der Laforcestraße die Hohenaschauer   die Adolf-Hitler-Straße, die zur Limesstraße   Funde, die aus vorgeschichtlicher Zeit ge-
             Straße, aus der Neubauerstraße die Tör-  wurde, dem römischen Grenzwall gegen    macht worden waren: Schlageterstraße
           wanger Straße sowie schließlich aus    die germanischen Gebiete, errichtet Ende   zu Federseestraße, Von-Koch-Straße zu
           der Scheubner-Richter-Straße die Frauen-  des zweiten Jahrhundert nach Christus.    Neandertalstraße und Adolf-Hitler-Straße
           chiemseestraße.                                                     zu Schussenrieder Straße. Die Neandertal-
                                                                               straße wurde 1952 nach Gröbenzell ausge-
                                             Juli 1945: Lerchenau und          meindet.
           Juli 1945: Allach                 Fasanerie-Nord
           Als zweites Beispiel soll Allach dienen, ein-  In der Lerchenau ersetzte man die hoch   Juli 1945: Milbertshofen
           gemeindet im Jahr 1938. In den dortigen   problematischen, aber gerade eben noch
           Neubaugebieten lebten Familien, deren   offiziell hoch gelobten Namengeber durch   In Milberthofen galt es, folgende national-
           Männer bei der Panzerschmiede Krauss-   völlig unproblematische Pflanzen. So    sozialistischen Straßennamen zu ersetzen:
           Maffei oder bei den Flugzeugwerken Jun-  wurde aus der Hermann-Göring-Straße    Die General-Litzmann-Straße wurde zur
           kers in der Schöllstraße arbeiteten. Diesen   die Azaleenstraße, aus der Adolf-Wagner-   Doktor-Schweninger-Straße nach einem
           Rüstungsbetrieben entsprachen die Stra-  Straße die Dahlienstraße, die Casella-   Arzt, die Knirschstraße zur Karlsteinstraße
           ßennamen nach toten oder noch lebenden   straße zur Fuchsienstraße, Georg-Hirsch-  nach einer Burg, der Johann-Rickmers-Platz
           NS-Heroen und am 1. Juli 1945 kamen nun   mann-Straße zur Mimosenstraße, Horst-   zum Mettenleiterplatz nach einem Kupfer-
           Wohltäter der Menschheit, nämlich Ärzte,   Wessel-Straße zur Salbeistraße und die   stecher und der Herbert-Norkus-Platz zum
           zum Zug: Aus der Schlageterstraße wurde     Ritter-von-Epp-Straße zur Waldrebenstraße.   Spengelplatz nach einem Landschaftsmaler.
           die Behringstraße, aus der Hans-Schemm-  In der Fasanerie-Nord erinnerte man an
           Straße die Blumenbachstraße, Horst-Wessel-     geschichtlich weit entfernte und damit als
           Straße zu Eversbuschstraße, Adolf-Wagner-   unproblematisch empfundene Rechtsbücher   Juli 1945: Obermenzing
           Straße zu Franz-Nißl-Straße, Adolf-Wagner-  aus dem 13. Jahrhundert: Die Dietrich-
           Platz zu Gleichplatz, Maikowskistraße zu   Eckart-Straße hieß nun Sachsenspiegel-  In Obermenzing wurde aus der General-
           Gleichweg, Hermann-Göring-Straße zu Lan-  straße und die Reichsschatzmeister-   von-Epp-Straße wegen der dortigen Bäume
           gerhansstraße, General-Litzmann-Straße    Schwarz-Straße wurde zur Schwaben-  die Alte Allee. Dann orientierte man sich
           zu Löfflerstraße, Dietrich-Eckart-Platz zu   spiegelstraße.         bei den Umbenennungen auf Chemiker:




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