Page 26 - Taxikurier September 2020
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nannte Entlastungsstadt Perlach, die seit 1963 östlich des Dorfes   TAXLERGESCHICHTEN
           auf der Perlacher Haide geplant und seit 1967 dort gebaut wurde.
           Im Jahr 1972 entschied sich der Stadtrat für die Bezeichnungen
           Alt-Perlach und Neu-Perlach, inoffiziell bürgerte sich außerdem die
           Unterscheidung zwischen Neuperlach-Nord und Neuperlach-Süd             Das vom Münchner Turm schreiber
           ein, wobei die Putzbrunner Straße die Grenze bildet. Die Woh-          und Mundart- Dichter Alfons
           nungsnot und der Mangel an bezahlbaren Wohnungen gehörten              Schweiggert im Jahr 1994 veröf-
           und gehören seit 200 Jahren zu den drängendsten Problemen in           fentlichte Buch „Der Lohnkutscher“
           München. Zur Linderung dieses chronischen Engpasses, dem sich          ist eine  Dokumentation das
           die seit den 1950-er Jahren schnell wachsende Stadt weiterhin ge-        Münchner  Taxi-Alltags schlechthin.
           genübersah, beschloss der Münchner Stadtrat 1960 die Errichtung
           von Entlastungsstädten, deren erste im Bereich der Gemarkung   Insbesondere heitere Anekdoten und lustige Erlebnisse vom
           Perlach entstehen und Wohnraum für 80.000 Einwohner bieten     Leben im Taxi und am Standplatz machen dieses Buch
           sollte. Ihre drei ersten Bauabschnitte im Norden und Osten wurden     lesenswert. Wir wollen im TAXIKURIER Auszüge aus diesem
           nach der Grundsteinlegung am 11. Mai 1967 in  rascher Folge fertig     einzigartigen Werk vorstellen. In dieser Ausgabe:
           gestellt, das Zentrum entstand dann zwischen 1974 und 1978,
           während der Abschnitt Süd von 1980 bis 1991 folgte. Architektur
           und Stadtplanung entsprachen anfangs den damals weltweit gülti-  ➔ UNHEIMLICHER FAHRGAST
           gen Grundsätzen für die so genannten Trabantenstädte auf der
           grünen Wiese: Breite Straßen durchzogen die hohen Häuser und   Manchmal geht es auch unheimlich zu. So stieg einmal am
           Wohnblocks in Plattenbauweise, von denen der Wohnring zwischen     Stachus ein feiner Herr in ein Taxi. „Wohin geht 's denn?“ fragte
           Adenauerring und Schumacherring der monumentalste ist. Durch   der Fahrer. „Kreuth — was sonst“, brummte der Mann. Dann
           diese bauliche Verdichtung konnten ausgedehnte Grünflächen frei-  schwieg der Fahrgast und stierte mit wildem Blick und geistes-
           gehalten werden. Die Planer entwarfen Neuperlach als eine mög-  abwesend in den Rückspiegel und damit dem Fahrer direkt ins
           lichst eigenständige Stadt neben der Stadt mit Wohnungen, Ar-  Auge. Dem wurde es mit der Zeit ziemlich mulmig und er über-
           beitsplätzen, Sozialeinrichtungen, Krankenhäusern Schulen sowie   legte, wie er den seltsamen Menschen auf dem schnellsten Weg
           Geschäftszentren, aber auch mit Erholungsmöglichkeiten wie    wieder loswerden könnte. Kurz vor Tegernsee hellte sich die
           dem Ostpark oder dem Michaelibad. Gleichzeitig sorgte zuerst seit     Miene des Mannes plötzlich auf. Aufschnaufend sagte er:
           1970 die Straßenbahn und dann insbesondere die 1980 eröffnete   „Sehn S’, jetzt fühl ich mich wieder wohl. Ich kann München im
           U-Bahn für eine schnelle Anbindung an München. Ursprünglich    Sommer einfach net ausstehn.“
           für 80.000 Bewohner ausgelegt, ist Neuperlach mit heute rund
           55.000 Einwohnern immer noch eine der größten deutschen
             Satellitenstädte.                                 KÜNSTLERHAUS MÜNCHEN AM LENBACHPLATZ


           Straßennamen, Denkmalschutz, Kunst                  Besonderer Esprit, traditionelles Ambiente und Geschichte
                                                               machen das Münchner Künstlerhaus zu einem faszinie renden
           Die allermeisten Straßen in Neuperlach sind nach Menschen be-  Ort für Veranstaltungen jeder Art.
           nannte, die sich auf die eine oder andere Art verdient gemacht
             haben. Hier seien lediglich diejenigen aufgeführt, von denen ein
           Taxistand seinen Namen bezieht: der Schriftsteller Oskar Maria Graf
           (1894–1967), der Politiker Thomas Dehler (1897–1967), der Politi-
           ker und Friedensnobelpreisträger 1927 Ludwig Quidde (1858–1941)
           und gleichzeitig der Gewerkschafter Heinrich Plett (1908–1963),
           der Chemiker Otto Hahn (1879–1968), der Schauspieler Carl Wery
           (1897–1975) sowie der Schauspieler Rudolf Vogel (1900–1967).
           Man glaubt es kaum, aber auch in Neuperlach stehen bereits zwei
           Gebäude unter Denkmalschutz: an der Max-Kolmsberger-Straße 3–9
           das Kirchenzentrum Sankt Monika aus den Jahren 1975 bis 1981   ➔ VERANSTALTUNGEN
           und an der Quiddestraße 4 das schulische Mehrzweckgebäude von
           1973 bis 1975 mit der Begründung: „Zur Straße ebenerdiger und
           zum Schulhof zweigeschossiger Sichtbetonbau mit bewegter Dach-
           landschaft auf polygonalem Grundriss, hofseitig mit großzügiger   Sa. 12.09. Davon geht die Welt nicht unter –
           Durchfensterung, Terrassen und Treppenanlage und abgesenktem   Bruno Balz, der unbekannte Weltstar.
           Außenbereich.“ Aber dies nur zur Kenntnisnahme. Was man beim   Ein musikalischer Abend mit Albrecht von Weech
           Fahren im Auto meist nicht bemerkt: In Neuperlach stehen er-  Mi. 16.09. Vernissage der Ausstellung von Franziska und
           staunlich viele Kunstwerke im öffentlichen Raum, das vielleicht   Mercedes Welte: Nonos – Pure Lebensfreude
           auffallendste davon stammt vom deutschen Künstler südkoreani-  Fr. 23.09. Jazz and beyond: Henning Sieverts: Vibes and Strings
           scher Herkunft Jai Young Park (geboren 1957): Es sind dies die   Sa. 26.09. Die Nostalphoniker
           Schach(?)-Figuren an der Einmündung der Heinrich-Wieland-Straße
           in die Ständlerstraße, aufgestellt 1998 und benannt „Nur der   Weitere Informationen unter: www.kuenstlerhaus-muc.de
           Mensch ist der Ort der Bilder“. (BW)




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